Dr.in Sylvia Nürnberger
MedUni Wien RESEARCHER OF THE MONTH, Dezember 2020
Die Jury „Researcher of the Month” verleiht die Auszeichnung für diesen Monat Frau Dr.in Sylvia Nürnberger aus Anlass der im Top-Journal „Acta Biomaterialia“ (IF 6.64) erschienenen Arbeit „Repopulation of an auricular cartilage scaffold, AuriScaff, perforated with an enzyme combination“. [1]. Die multidisziplinäre Studie entstand im Rahmen des FFG Bridge Frühphase Projekts „CartiScaff“, das Dr.in Sylvia Nürnberger als Principal Investigator leitete. Das Projekt war eine Kooperation der Abteilung für Unfallchirurgie unter der Leitung von Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr.med.univ. Stefan Hajdu in Zusammenarbeit mit dem Leiter des Ludwig Boltzmann Institut für experimentelle und klinische Traumatologie, Prof. Heinz Redl sowie Dr. Andreas Teuschl von der Fachhochschule Technikum Wien und Prof.in Gerjo van Osch von der Erasmus MC, University Medical Center, Rotterdam.
Biomimetisches Biomaterial für die Knorpelregeneration
(Posttraumatische) Knorpelschäden stellen eine der größten Herausforderungen in der unfallchirurgischen Regenerationsmedizin dar und werden seit den späten 1990ern mit Knorpelzelltransplantationen behandelt [2]. Besonders kritisch sind Defekte mit einer Größe über 2cm2, da hier das alleinige Einbringen von Zellen nicht ausreicht, sondern diese im Defekt verteilt, stabilisiert und geschützt werden müssen [3, 4]. Zu diesem Zweck werden neben den Zellen auch Biomaterialien eingebracht. Diese Biomaterialien werden heutzutage nicht nur mit Knorpelzellen, sondern auch mit Knochenmark aus dem Beckenkamm oder dem subchondralen Knochen (durch Mikrofakturierung) kombiniert [5, 6]. Obwohl diese Methode bei den meisten PatientInnen zur Verbesserung der Symptome führt, kann oft keine vollständige Regeneration erzielt werden. In Einzelfällen kommt es sogar zu Transplantatversagen, die entweder im frühen oder im fortgeschrittenen postoperativen Verlauf auftreten können und deren Ursachen nur unzulänglich bekannt sind [7-9]. Eine Weiterentwicklung der biomaterialbasierten Zelltransplantationsmethode zur effizienteren und breiteren Anwendung ist daher eines der vorrangigen Ziele im Bereich der Knorpelregenerationsforschung.
Potential für eine Verbesserung besteht im Bereich der Biomaterialien [10-13]. Die derzeit am Markt befindlichen Produkte sind durchwegs sehr weich und haben daher wenig Tragfähigkeit, um die implantierten Zellen bis zum Aufbau der neuen Knorpelmatrix vor der Belastung im Gelenk zu schützen. In den meisten Fällen stellt auch die ungeordnete Architektur der Materialien kein adäquates Leitsystem für die Knorpelmatrixbildung dar. Daher hat sich S. Nürnberger mit ihrem Team zum Ziel gesetzt, ein Material zu entwickeln, das dem nativen Knorpel in Festigkeit, Struktur und Zusammensetzung nahe kommt.
Jenes Material, das Knorpel am ehesten entspricht ist die Knorpelmatrix selbst. Für eine Verwendung von Spendergewebe müssen jedoch die Donorzellen vollständig entfernt und patienteneigene Zellen eingebracht werden. Bisher publizierte Ansätze waren aufgrund der Dichte der Matrix wenig erfolgreich [14, 15]. Diese Wiederbesiedelung gelang S. Nürnberger das erste Mal in einem von der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) geförderten Kooperationsprojekt (Bridge Frühphase „CartiScaff“ #842455), in dem Strategien zur gleichmäßigen Eröffnung von Knorpelmatrix entwickelt wurden.
Für dieses Vorhaben wurde aurikulärer Knorpel herangezogen, der in seiner Matrix elastische Fasern enthält. Durch Entfernen dieser Fasern konnten Kanäle geschaffen werden, die dem Durchmesser von langgestreckten, wandernden Zellen entsprechen. Über diese Kanäle war es möglich, sowohl in Zellkultur, als auch in einem präklinischen Modell, die zuvor dezellularisierte Matrix, mit regenerativen Zellen (Knorpelzellen, Fettstammzellen) wieder zu besiedeln. Die eingewanderten Zellen waren somit unmittelbar in eine hyaline Knorpelumgebung eingebettet und haben nach einiger Zeit die Hohlräume der entfernten elastischen Fasern und Zellen mit neuer Matrix aufgefüllt. Aufgrund dieser vielversprechenden Ergebnisse sind S. Nürnberger und ihr Team zuversichtlich, aus der behandelten elastischen Knorpelmatrix ein „off the shelf“ Produkt für den Einsatz in der Klinik entwickeln zu können.
Wissenschaftliches Umfeld
Durch ihre Forschungstätigkeit ist S. Nürnberger national wie auch international gut vernetzt und pflegt Kooperationen mit den Universitäten Rotterdam und Basel, sowie dem AO-Forschungsinstitut in Davos. Die nationalen Kontakte sind stark mit dem Österreichischen Cluster für Geweberegeneration assoziiert, welcher elf Universitäten, eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung und zwölf Spin-off Firmen umfasst. Weiters beteiligt sie sich an Aktivitäten des nationalen VICEM-Netzwerks (Vienna Center for Engineering in Medicine) zwischen der TU und MedUni Wien, sowie der internationalen PACT-Plattform (Platform for Advanced Cell Therapy). In der von der EU-geförderten internationalen COST Action CA15216 (European Cooperation in Science and Technology) des ENBA-Netzwerkes (European Network of Bioadhesion Expertise) führt sie die Funktion des Management Komitee Mitglieds für Österreich aus. Als Mitglied bei der ICRS (International Cartilage Regeneration and Joint Preservation Society) und TERMIS (Tissue Engineering and Regenerative Medicine International Society) ist S. Nürnberger mit den wichtigsten Gesellschaften im Knorpel- und Geweberegenerationsberiech vernetzt.
Zur Person
Sylvia Nürnberger hat an der Universität Wien studiert und 2013 mit einer wissenschaftlichen Arbeit im Bereich der Knorpelregeneration promoviert. Seither ist sie als Wissenschaftlerin an der Klinischen Abteilung für Unfallchirurgie (geleitet von Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr.med.univ. Stefan Hajdu), Universitätsklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie (geleitet von O.Univ.-Prof. Dr.med.univ. Reinhard Windhager) tätig und leitet eine Arbeitsgruppe im Bereich der Knorpelregeneration. Ihre Hauptschwerpunkte sind Biomaterialien, Chondrozyten und alternative regenerative Zellen (z.B. Fettstammzellen) sowie biologische therapeutische Substanzen. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt ist die Erforschung von biologischen Klebstoffen (z.B. Zeckenzement) zur Entwicklung von Gewebeklebern. Im Rahmen ihre Forschungstätigkeit hat sie Drittmittel geförderte Projekte akquiriert (FFG Projekt „CartiScaff“; FFG Projekt „CartiScaff2clinics“, FWF Projekt „Skin plug system“), und drei Patente eingereicht sowie publiziert. Sie ist in der Lehre an der Medizinischen Universität Wien tätig und betreut im PhD Programm N790 “Bones and Joint Regeneration” sowie N094 „Immunology“ Doktorats- bzw. PhD StudentInnen. Sylvia Nürnberger ist Mitglied des „Österreichischen Clusters für Geweberegeneration“, in dem sie die Knorpelgruppe leitet.
Ausgewählte Literatur
- Nürnberger S, Schneider C, van Osch G.V.M, Keibl C, Rieder B, Monforte X, Teuschl A, Mühleder S, Holnthoner W, Redl H, Wolbank S. Repopulation of an auricular cartilage scaffold, AuriScaff, perforated with an enzyme combination. Acta Biomaterialia 2019 (1) 86 p207-222.
- Brittberg M, Lindahl A, Nilsson A, Ohlsson C, Isaksson O, Peterson L. Treatment of deep cartilage defects in the knee with autologous chondrocyte transplantation. N Engl J Med 1994; 331: 889-895.
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- Marlovits S, Zeller P, Singer P, Resinger C, Vecsei V. Cartilage repair: generations of autologous chondrocyte transplantation. Eur J Radiol 2006; 57: 24-31.
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