Dr. Roland Jäger
MedUni Wien RESEARCHER OF THE MONTH, August 2021
Die Jury „Researcher of the Month” verleiht die Auszeichnung für diesen Monat Herrn Dr. Roland Jäger aus Anlass der im Top-Journal „Blood“ (IF 17.54) erschienenen Arbeit „Germline Genetic Factors Influence Outcome of Interferon Alpha Therapy in Polycythemia Vera“ [1]. Die Studie entstand im Rahmen der Forschungstätigkeiten von Dr. Jäger am Klinischen Institut für Labormedizin (Leitung: Prof. Dr. Oswald Wagner) in der Arbeitsgruppe von Dr. Robert Kralovics (Klinisches Institut für Labormedizin und CeMM Forschungszentrum für molekulare Medizin der österreichischen Akademie der Wissenschaften) in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Heinz Gisslinger (Klinische Abteilung für Hämatologie und Hämostaseologie, Universitätsklinik für Innere Medizin I) und einem Team der AOP Orphan Pharmaceuticals AG.
DNA-Varianten im IFNL4 Gen als pharmakogenetische Marker bei PV
Polycythaemia vera (PV) gehört zu den Myeloproliferativen Neoplasien, einer Gruppe seltener chronischer, bösartiger Blutkrankheiten. Ein Merkmal ist die erhöhte Produktion verschiedener Blutzellen. Anhaltende therapeutische Erfolge lassen sich durch Gabe von Interferon alpha (IFNa)-basierten Wirkstoffen erzielen, die den mutierten Zellklon eliminieren und das bösartiges Zellwachstum dauerhaft einschränken können. Allerdings gelingt das nicht bei allen PatientInnen gleichermaßen erfolgreich. Bisher war nicht geklärt, warum PatientInnen unterschiedlich auf die Therapie ansprechen; jedoch weiß man von anderen Krankheiten, dass genetische Faktoren eine entscheidende Rolle spielen können.
Eine Forschungsgruppe um Roland Jäger im Labor von Robert Kralovics am Klinischen Institut für Labormedizin der MedUni Wien und am CeMM Forschungszentrum für molekulare Medizin der österreichischen Akademie der Wissenschaften untersuchten nun einen möglichen Effekt ererbter Varianten in der DNA auf die Wirkung des neuartigen Ropeginterferon alfa-2b, welches PV-PatientInnen im Rahmen von klinischen Studien [2,3] verabreicht wurde. Zunächst wurden Genom-weite-Assoziationsstudien (GWAS) durchgeführt, die keinen Hinweis auf einen starken Einfluss genetischer Marker auf den Therapieerfolg erbrachten. Dies legt nahe, dass alle PV-PatientInnen unabhängig von ererbten Faktoren für eine Therapie mit IFNa in Frage kommen. In Folge führte das Forschungsteam gezielte Assoziationsanalysen in der chromosomalen Region des in Zusammenhang mit IFNa-basierter Therapie einer völlig anderen Krankheit – nämlich Hepatitis C – vorbeschriebenen IFNL4 Gens [4] durch. Hier zeigte sich ein signifikanter Effekt bedingt durch eine spezielle Kombination ererbter DNA-Varianten im IFNL4 Gen, die in der Bevölkerung weit verbreitet sind und daher auch rund ein Drittel der PatientInnen betreffen. PatientInnen mit einem spezifischen genetischen IFNL4-Status zeigen im Verlauf der Therapie eine deutliche Resistenz des mutierten, bösartigen Zellklons.
Die Studie legt nahe, dass eine molekulargenetische Bestimmung des IFNL4-Status eine individuell angepasste und daher verbesserte Therapie ermöglichen könnte, da ein tiefgründiges therapeutisches Ansprechen und damit verbunden eine Reduktion des bösartigen Zellklons entscheidend für den Behandlungserfolg sind. Der IFNL4-Status hat das Potential, als pharmakogenetischer Marker zur Entwicklung von personalisierten und maßgeschneiderten Therapieformen bei PV und anderen Myeloproliferativen Neoplasien beizutragen.
Wissenschaftliches Umfeld
Seit Beginn seines Doktoratsstudiums im Jahr 2006 forscht Roland Jäger an den genetischen Grundlagen von Krebserkrankungen. Die Tätigkeit im Labor von Dr. Robert Kralovics am CeMM Forschungszentrum für molekulare Medizin der österreichischen Akademie der Wissenschaften resultierte vorerst in erkenntnisreichen Arbeiten auf dem Gebiet der Hämatologie mit einem Fokus auf Myeloproliferative Neoplasien (MPN) [5,6], bevor Dr. Jäger durch ein Projekt zur funktionellen Charakterisierung genetischer Risikofaktoren beim kolorektalen Karzinom auch in der Grundlagenforschung zu soliden Tumoren Erfahrung sammeln konnte [7]. Letzteres wurde im Labor von Prof. Dr. Richard Houlston am Institute of Cancer Research (ICR) in London durchgeführt, und vom Wissenschaftsfonds FWF durch ein Erwin-Schrödinger-Auslandsstipendium unterstützt. Nach der Rückkehr ans CeMM in die Forschungsgruppe Kralovics konnte über ein mit Dr. Jäger als Co-Antragsteller erfolgreich eingereichtes Projekt (Ererbte Anfälligkeit für Thrombose bei MPN; P 29018) weitere Unterstützung seitens des FWF eingeworben werden. Aus diesen Mitteln resultiert auch die aktuell im Top-Journal „Blood“ veröffentlichte Arbeit [1], in der ein Effekt ererbter genetischer Faktoren auf den therapeutischen Erfolg bei MPN beschrieben wird. Mit starken Wurzeln am CeMM entstand die Publikation im nunmehr ans Klinische Institut für Labormedizin (Leitung: Prof. Dr. Oswald Wagner) an die MedUni Wien übersiedelte Labor von Dr. Kralovics. Grundlage für die Analysen bilden klinische Studien in MPN-Patienten-Kohorten [2,3] durchgeführt von nationalen und internationalen Konsortien rund um den Hämatologen Prof. Dr. Heinz Gisslinger von der MedUni Wien.
Zur Person
Roland Jäger studierte 2002-2006 „Genetik und Molekularbiologie“ an der Universität Salzburg. Nach einem 1-jährigen Forschungsaufenthalt an der Semmelweis Universität in Budapest bewarb er sich erfolgreich um eine Doktorandenstelle im Rahmen des allerersten Calls des mittlerweile stark etablierten CeMM PhD-Programms. Forschungsschwerpunkt unter Supervision von Dr. Robert Kralovics waren die genetischen Grundlagen von Myeloproliferativen Neoplasien (MPN). Nach einem 3-jährigen post-doktoralen Forschungsaufenthalt im Labor von Prof. Dr. Richard Houlston am ICR in London kehrte Dr. Jäger im Jahr 2014 im Rahmen der Rückkehr-Phase eines Schrödinger-Stipendiums in die Arbeitsgruppe Kralovics ans CeMM zurück und widmete sich dort weiterhin der Genetik von MPN. Seit 2019 ist Dr. Jäger als Universitätsassistent im Genetischen Labor des Klinischen Instituts für Labormedizin (Leitung: Prof. Dr. Oswald Wagner) an der MedUni Wien tätig. Im Team von Prof. Dr. Harald Esterbauer wirkt er dort an der Durchführung und Weiterentwicklung der genetischen Routinediagnostik mit. Der wissenschaftliche Fokus von Dr. Jäger liegt weiterhin in der Erforschung der genetischen Grundlagen von hämatologischen Erkrankungen.
Ausgewählte Literatur
- Jäger R, Gisslinger H, Fuchs E, et al. Germline Genetic Factors Influence Outcome of Interferon Alpha Therapy in Polycythemia Vera. Blood. 2020.
- Gisslinger H, Zagrijtschuk O, Buxhofer-Ausch V, et al. Ropeginterferon alfa-2b, a novel IFNα-2b, induces high response rates with low toxicity in patients with polycythemia vera. Blood. 2015.
- Gisslinger H, Klade C, Georgiev P, et al. Ropeginterferon alfa-2b versus standard therapy for polycythaemia vera (PROUD-PV and CONTINUATION-PV): a randomised, non-inferiority, phase 3 trial and its extension study. Lancet Haematol. 2020.
- Wack A, Terczyńska-Dyla E, Hartmann R. Guarding the frontiers: The biology of type III interferons. Nat. Immunol. 2015.
- Schaub FX, Jäger R, Looser R, et al. Clonal analysis of deletions on chromosome 20q and JAK2-V617F in MPD suggests that del20q acts independently and is not one of the predisposing mutations for JAK2-V617F. Blood. 2009.
- Jäger R, Gisslinger H, Passamonti F, et al. Deletions of the transcription factor Ikaros in myeloproliferative neoplasms. Leukemia. 2010;24(7):1290–1298.
- Jäger R, Migliorini G, Henrion M, et al. Capture Hi-C identifies the chromatin interactome of colorectal cancer risk loci. Nat. Commun. 2015.