Dr.in Vera Vorstandlechner
MedUni Wien RESEARCHER OF THE MONTH, Februar 2022
Die Jury „Researcher of the Month” verleiht die Auszeichnung für diesen Monat Frau Dr.in Vera Vorstandlechner aus Anlass der im Top-Journal „Nature Communications“ (IF 14.9) erschienenen Arbeit „The serine proteases dipeptidyl-peptidase 4 and urokinase are key molecules in human and mouse scar formation“ (1). Die multidisziplinäre Studie entstand im Rahmen des PhD-Studiums von Dr.in Vorstandlechner in der Arbeitsgruppe von Univ.-Prof. Dr. Hendrik-Jan Ankersmit vom Forschungslabor für Thoraxchirurgie und angewandte Immunologie in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Assoc. Prof. Dr. Michael Mildner von der Universitätsklinik für Dermatologie.
Hypertrophe Narbenbildung: ein unterschätztes Problem
Hypertrophe Narben mit verdickten, oft schmerzhaften und juckenden Narbensträngen sind nach Unfällen, Operationen und besonders nach Verbrennungsverletzungen eine schwere Belastung für PatientInnen. Obwohl verschiedene, leider oft unbefriedigende Therapiekonzepte zur Verfügung stehen, sind bis jetzt keine Wirkstoffe bekannt, die hypertrophe Narben schon während ihrer Bildung verbessern oder verhindern können.
Die genetische Landkarte von hypertrophen Narben
Mittels Einzelzellsequenzierung haben die ForscherInnen in dieser Studie sowohl das Genmuster ausgereifter humaner hypertropher Narben als auch der Narbenreifung im Mausmodell, analysiert. Dabei wurde in humaner Haut ein bestimmter Subtyp von Fibroblasten identifiziert, der maßgeblich an der Narbenentwicklung beteiligt war. Der Vergleich dieses Narben-spezifischen Fibroblasten-Typs mit Fibroblasten im Zuge der Narbenreifung in Mäusen führte zur Identifikation von einer Gruppe von Serinproteasen, die in beiden experimentellen Ansätzen gleichermaßen erhöht waren.
Zwei neue Therapieansätze in der Narbenbildung
Die Hemmung von Dipeptidyl-Peptidase IV (DPP4) mit dem Wirkstoff Sitagliptin und von Urokinase (PLAU) mit BC-11 verhinderten in vitro die Bildung von Myofibroblasten, welche in Narben und anderen fibrosierenden Pathologien für Kontraktion und übermäßige Matrix-Deposition verantwortlich sind. Die Zugabe von Sitagliptin und BC-11 zu Fibroblastenkulturen reduzierte dabei deutlich die Ausschüttung von Matrix-Komponenten wie Kollagen und Fibronektin und verringerte die Kontraktilität der Fibroblasten. Im Maus-Wundmodell zeigte sich durch die topische Anwendung der Inhibitoren, bei gleich guter Wundheilung, eine Verbesserung der Narbenqualität mit verringerter Parallelität der Kollagenfasern und reduzierter Akkumulierung von extrazellulären Matrixproteinen.
Die Studie ermöglicht somit einerseits völlig neue Einblicke in die Genaktivität in Narbengewebe, und zeigte Wirkstoffe zur möglichen Therapie von hypertrophen Narben.
Wissenschaftliches Umfeld
Dr.in Vera Vorstandlechner begann 2017 ihr Doktoratsstudium bei Prof. Hendrik Jan Ankersmit, (Thoraxchirurgie) und Prof. Michael Mildner (Dermatologie). Im Rahmen der Forschung zu den regenerativen Eigenschaften vom Sekretom bestrahlter peripherer Monozyten („Aposec“) entstand ein umfassendes Projekt. Dieses setzte sich einerseits die genaue Charakterisierung von Hautfibroblasten und Mechanismen der hypertrophen Narbenbildung als auch der anti-fibrotischen Wirkung von Aposec in der Narbenbildung zum Ziel. Um diese Vorgänge im Detailuntersuchen zu können, machte sie sich die rasante Entwicklung der Einzelzellsequenzierung zu Nutze. Daraus entstand 2020 die erste Publikation zur Beschreibung von Fibroblasten-Populationen der gesunden Haut (2) und eine Kollaborationsarbeit als Ko-Erstautorin mit Prof. Patrick Brunner von der Universitätsklinik für Dermatologie (3). Aus diesen Arbeiten entstanden jeweils mehrere Folgeprojekte (4) und Diplomarbeiten. Zudem arbeitete Dr.in Vorstandlechner bereits während des Studiums an der Universitätsklinik für Plastische Chirurgie gemeinsam mit Priv. Doz. Alexandra Fochtmann-Frana an Studien zu Infektionen in Schwerstbrandverletzten und der Rehabilitation nach Verbrennungsverletzung (5, 6).
Die aktuelle Forschungsarbeit ist somit das zweite von drei Papers im Rahmen ihrer Dissertation. Die Projekte wurden durch eine Private-Public Partnership der Aposcience AG mit der Medizinischen Universität Wien sowie durch Förderungen der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) ermöglicht. Die dritte Arbeit zur Wirkung von Aposec in Narbenbildung soll kommendes Jahr publiziert werden und das PhD-Projekt vervollständigen.
Zur Person
Dr.in med. univ. Vera Vorstandlechner, geboren 1992, entdeckte während des Medizinstudiums (2011 bis 2017 in Wien) ihre Leidenschaft einerseits für die Plastische Chirurgie, andererseits für die Bench-to-Bedside-Forschung in der regenerativen Medizin. Nach Studienaufenthalten in Bern, Zürich (Schweiz) und Sydney (Australien) begann sie die wissenschaftliche Mitarbeit im Kollaborationslabor von Thoraxchirurg Hendrik Jan Ankersmit und dem dermatologischen Grundlagenforscher Michael Mildner. Im Zuge dessen konnte sie beide Interessen verbinden und entwickelte ein Dissertationsprojekt zur Forschung von Narbenbildung und Wirkstoffentwicklung zur Therapie von hypertrophen Narben. Für ihre Arbeiten wurde sie mit Vortragspreisen durch die DAV (Deutschsprachige Arbeitsgesellschaft für Verbrennungsmedizin) und die ÖGDV (Österreichische Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie) und einem Stipendium der ÖGDV für einen Forschungsaufenthalt bei Prof. Michael Rendl an der Icahn School of Medicine (New York, USA) ausgezeichnet. Seit 2020 ist sie Assistenzärztin an der Universitätsklinik für Plastische und Rekonstruktive Chirurgie.
Ausgewählte Literatur
- Vorstandlechner V, Laggner M, Copic D, Klas K, Direder M, Chen Y, et al. The serine proteases dipeptidyl-peptidase 4 and urokinase are key molecules in human and mouse scar formation. Nature Communications. 2021;12(1):6242.
- Vorstandlechner V, Laggner M, Kalinina P, Haslik W, Radtke C, Shaw L, et al. Deciphering the functional heterogeneity of skin fibroblasts using single-cell RNA sequencing. FASEB journal : official publication of the Federation of American Societies for Experimental Biology. 2020.
- Rojahn TB, Vorstandlechner V, Krausgruber T, Bauer WM, Alkon N, Bangert C, et al. Single-cell transcriptomics combined with interstitial fluid proteomics defines cell type-specific immune regulation in atopic dermatitis. The Journal of allergy and clinical immunology. 2020;146(5):1056-69.
- Bangert C, Rindler K, Krausgruber T, Alkon N, Thaler FM, Kurz H, et al. Persistence of mature dendritic cells, T<sub>H</sub>2A, and Tc2 cells characterize clinically resolved atopic dermatitis under IL-4Rα blockade. Science immunology. 2021;6(55):eabe2749.
- Vorstandlechner V, Langthaler D, Ebenberger K, Pittermann A, Ihra G, Rath T, et al. Occupational reintegration after severe burn injury: a questionnaire study. 2021;133(11-12):625-9.
- Fochtmann-Frana A, Freystätter C, Vorstandlechner V, Barth A, Bolliger M, Presterl E, et al. Incidence of risk factors for bloodstream infections in patients with major burns receiving intensive care: A retrospective single-center cohort study. Burns : journal of the International Society for Burn Injuries. 2018;44(4):784-92.