Dr. Stéphane Ciocchi, PhD
MedUni Wien RESEARCHER OF THE MONTH, September 2016
Die Jury verleiht die Auszeichnung „Researcher of the Month” für September 2016 Herrn Dr. Stéphane Ciocchi aus Anlass der im Top-Journal „Science“ (IF 33.6) erschienenen Arbeit „Selective information routing by ventral hippocampal CA1 projection neurons“. [1]
Wissenschaftlicher Hintergrund: Der Hippocampus leitet selektive Informationen über Ängstlichkeit und zielgerichtetes Verhalten an spezifische Gehirnregionen.
Ein grundlegendes Ziel der modernen Neurowissenschaften ist es, die neuronalen Mechanismen beim Lernen bzw. des Gedächtnis unter gesunden und pathologischen Bedingungen zu verstehen. Der Hippocampus ist eine kortikale Gehirnregion, die an komplexen emotionalen und kognitiven Verhaltensweisen wie Angst, Motivation oder räumliche Navigation beteiligt ist. Der Hippocampus ist mit vielen kortikalen (z.B. dem präfrontalen Kortex) und subkortikalen (z.B. dem Nucleus accumbens) Gehirnregionen durch synaptische Kontakte direkt verbunden [2]. In der vorliegenden Arbeit [1], stellten wir uns die Frage, wie der Hippocampus mit diesen bestimmten Gehirnregionen kommuniziert. Theoretisch waren zwei grundlegende Prinzipien der Informationsübertragung am wahrscheinlichsten. Einerseits könnte der Hippocampus verhaltensrelevante Informationen zu allen Gehirnregionen senden und würde der Empfängerregion die benötigten und relevanten Informationen extrahieren lassen. Dies wäre ähnlich wie bei einem Funksender, der gleichzeitig alle Sendungen sendet, während der Funkempfänger sich sein gewünschtes Programm extrahiert. Alternativ könnte der Hippocampus die Übertragung von diverse Informationen unterschiedlich und sehr selektiv zu verschiedenen Gehirnregionen senden. Wir stellten fest, dass Informationen über Ängstlichkeit bevorzugt an den präfrontalen Kortex, eine Gehirnregion, die auch an der Entscheidungsfindung beteiligt ist, gesandt wird. Das macht dahingehend Sinn, da die Intensität der Ängstlichkeit die Entscheidungsfindung in vielen Situationen des täglichen Lebens beeinflusst. In ähnlicher Weise werden Informationen über zielgerichtetes Verhalten selektiv an den Nucleus accumbens weitergeleitet, eine Gehirnregion, die auf die Verarbeitung von Belohnungen spezialisiert ist.
Darüber hinaus haben wir festgestellt, dass Neuronen, die Ängstlichkeit und zielgerichtete Verhaltensweisen reflektieren, in nicht-überlappenden neuronalen Schaltkreisen im Hippocampus integriert sind. Dies könnte die Interferenz zwischen zwei verschiedenen Verhaltensweise reduzieren. Die Analyse der Gehirnbahnen im Hippocampus von Ratten wurde mit Hilfe von modernsten optogenetischen (Kontrolle der Aktivität von Nervenzellen durch Licht) und elektrophysiologischen Untersuchungsmethoden erhalten. Insgesamt hat unsere Studie spezifische Gehirnbahnen des Hippocampus identifiziert, die wichtig für Angst und motivierte Verhaltensweisen sind. Die verschiedenen spezifischen Gehirnbahnen des Hippocampus können dadurch von entscheidender Bedeutung sein, um pathologische Veränderungen der involvierten Gehirnregionen sowie psychiatrische Störungen besser zu verstehen.
Wissenschaftliches Umfeld
Dr. Stéphane Ciocchi ist derzeit Postdoc in der Arbeitsgruppe von Univ. -Prof. Dr. Thomas Klausberger am Institut für Kognitive Neurobiologie des Zentrums für Hirnforschung der Medizinische Universität Wien. Die Abteilung ist daran interessiert, wie die neuronale Vielfalt der kortikalen Neuronen grundlegende Funktionen für die verschiedenen Formen der kognitiven und affektiven Verhaltensweisen unterstützen. Die Vielfalt von Neuronen ist charakteristisch für die kortikalen Regionen unseres Gehirns. Die neuronalen Zellen lassen sich in zwei Hauptgruppen unterteilen: Einerseits, Pyramidenzellen, die Glutamat als Neurotransmitter verwenden, und die lokale und entfernte synaptische Verbindungen herstellen. Pyramidenzellen sind die zahlreichsten Neuronen im Kortex. Andererseits die weniger zahlreich vorhandenen inhibitorischen Interneuronen, die GABA (γ-Aminobuttersäure) als Neurotransmitter verwenden und die, die Aktivität und das Timing der Pyramidenzellen durch lokale synaptische Verbindungen kontrollieren. Interneuronen sind sehr vielfältig in Anbetracht ihrer synaptischen Kontrollmechanismen, ihres molekularen Profils und Aktivitätsmusters [3-5]. Im Hippocampus wurden bisher mehr als 20 Arten von GABA Interneuronen identifiziert [6]. Es ist jedoch wenig über die Funktion dieser GABA Interneuronen bei komplexen kognitiven Aufgaben bekannt. Ein Hauptziel der Forschung der Abteilung ist es, zu verstehen, wie verschiedene neuronale Typen im Kortex miteinander interagieren, um komplexe Gehirnfunktionen und Verhalten herbeizuführen.
Ausgewählte Literatur
- Ciocchi S, Passecker J, Malagon-Vina H, Mikus N, Klausberger T. (2015). Brain computation. Selective information routing by ventral hippocampal CA1 projection neurons. Science 348:560-563. (IF 31.5).
- Arszovszki A, Borhegyi Z, Klausberger T. (2014). Three axonal projection routes of individual pyramidal cells in the ventral CA1 hippocampus. Front Neuroanat 8:53. (IF 3.5).
- Klausberger T, Somogyi P. (2008). Neuronal diversity and temporal dynamics: the unity of hippocampal circuit operations. Science 321:53-57. (IF 30.3).
- Klausberger T, Magill PJ, Marton L, Roberts JDB, Cobden PM, Buzsáki G, Somogyi P. (2003). Brain state- and cell type-specific firing of hippocampal interneurons in vivo. Nature 421:844-848. (IF 31.0)
- Lapray D, Lasztoczi B, Lagler M, Viney TJ, Katona L, Valenti O, Hartwich K, Borhegyi Z, Somogyi P, Klausberger T. (2012). Behavior-dependent specialization of identified hippocampal interneurons. Nat Neurosci 15:1265-1271. (IF 16.3)
- Lasztoczi B, Klausberger T. (2014). Layer-specific GABAergic control of distinct gamma oscillations in the CA1 hippocampus. Neuron 81:1126-1139. (IF 16.0)