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2019 Juni - Eva Schwindt

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Dr.in med. univ. et scient. Eva Schwindt

MedUni Wien RESEARCHER OF THE MONTH, Juni 2019

Die Jury „Researcher of the Month” verleiht die Auszeichnung für diesen Monat Frau Dr.in Eva Schwindt aus Anlass der im Top-Journal „Pediatric Critical Care Medicine“ (IF 3.09) erschienenen Originalarbeit “Duration to Establish an Emergency Vascular Access and How to Accelerate It: A Simulation- Based Study Performed in Real-Life Neonatal Resuscitation Rooms1. Die Arbeit entstand in enger Zusammenarbeit mit Dr. Florian Hoffmann (Dr. von Hauner’sches Kinderspital, Ludwig-Maximillians Universität München) und Dr. Philipp Deindl (Universitätskinderklinik, Hamburg-Eppendorf).

EIN NEUGEBORENES MUSS REANIMIERT WERDEN – NABELVENENKATHETER ODER INTRAOSSÄRER ZUGANG?

Die Reanimation eines Neugeborenen ist ein sehr seltenes Ereignis. Die Notwendigkeit, neben Beatmungen und Herzdruckmassagen auch einen venösen Zugang zu legen, um Medikamente zu applizieren, wird bei Neugeborenen auf etwa 0.12%2 aller Geburten geschätzt. Wenn ein Zugang allerdings notwendig ist, sind die Möglichkeiten hierfür sehr eingeschränkt. Ein peripherer Venenkatheter ist bei einem Neugeborenen mit ohnehin sehr kleinem Venendurchmesser, das sich zudem im Kreislaufstillstand befindet,nur äußerst schwierig zu etablieren. Die internationalen Leitlinien zur Reanimation des European Resuscitation Council (ERC) empfehlen daher den Nabelvenenkatheter (NVK) als Zugang der ersten Wahl in der Neugeborenenreanimation3. Erfahrungsgemäß lässt sich ein Nabelvenenkatheter, vor allem in kleineren Geburtsabteilungen (abseits der Universitätsklinik) ohne neonatologische Station und entsprechend erfahrenem Personal, nur schwer umsetzen. Vor allem der Umgang mit dem sehr umfangreichen Material und die mangelnden Trainingsmöglichkeiten unter realen Notfallbedingungen bereiten medizinischen Teams in diesen sehr stressigen und häufig auch emotionalen, zumeist unvorhergesehenen Situationen häufig Schwierigkeiten. Auch wenn der Nabelvenenkatheter in der Neonatologie in Routinesituationen häufig verwendet wird, gibt es bisher gibt es keine Daten zu Erfolgs- oder Komplikationsraten im Rahmen einer Reanimationssituation.

Als Notfallzugang ist im Erwachsenen- und Kindesalter der intraossäre Zugang (IO) seit vielen Jahren gut etabliert4-6 und wird als Zugang der ersten Wahl ab dem Säuglingsalter (also ab dem 28. Lebenstag)  in internationalen Guidelines empfohlen7. Zur Anwendung beim Neugeborenen,gibt es bisher nur wenige Daten. Erfolgs- oder Komplikationsraten für die Neugeborenenreanimation sind aufgrund der Seltenheit dieser Ereignisse nur sehr schwer zu erheben. Simulationsbasierte Studien zeigen jedoch, dass der Intraossäre Zugang, sowohl von geschultem als auch von ungeschultem Personal, einfacher und schneller zu verlegen ist, als der Nabelvenenkatheter8,9. Diese Studien wurden im Setting eines Simulationszentrums mit vorbereitetem Material und teilweise genauen Handlungsanweisungen durchgeführt und entsprechen somit nicht der tatsächlichen Situation einer unvorhergesehenen Neugeborenenreanimation.

Das Ziel der vorliegenden Studie war es zu evaluieren, wie sich die möglichen Notfall-Zugänge abseits des Simulationszentrums, in echten Kreißsälen und von realen medizinischen Teams umsetzen lassen. Dazu wurden 59 aufgezeichnete, simulierte Neugeborenenreanimationen aus insgesamt 16 verschiedenen Krankenhäusern des deutschsprachigen Raumes analysiert. Die Reanimationssituationen wurden in  der realen, im jeweiligen Krankenhaus tatsächlich bestehenden Infrastruktur und mit  realistischer Teambesetzung nachgestellt. Neben der Erfassung und dem Vergleich der Zeitdauer, die benötigt wurde, um einen Zugang (peripher, NVK, IO) zu legen, konnten, durch die Durchführung unter Realbedingungen, vor allem auch wesentliche Parameter erfasst werden, die zu Verzögerungen beim Legen des gewählten Zugangs führen können.

Die Ergebnisse zeigten, dass es den medizinischen Teams in simulierten Neugeborenenreanimationen deutlich schneller gelang, einen intraossären Zugang zu legen, als einen Nabelvenenkatheter (86 vs. 199 Sekunden). Insbesondere in kleineren Häusern (in denen erwartungsgemäß weniger Erfahrung besteht) zeigte sich eine längere Zeitdauer bis zur erfolgreichen Verlegung des Nabelvenenkatheters. Die Schwierigkeit in der Umsetzung der Zugänge zeigte sich beim Nabelvenenkatheter vor allem im Umgang mit dem umfangreichen  Material und der Unsicherheit bezüglich der Anpassung, der unter Routinebedingungen strengen Hygiene-Vorgaben, in einem lebensbedrohlichen Notfall. Aufgrund der mangelnden Erfahrung vieler Teams im Legen eines Nabelvenenkatheters (insbesondere in einer Notfallsituation) wurde v.a. für die einzelnen Schritte der Vorbereitung und für die letztliche Durchführung viel Zeit benötigt. Im Gegensatz dazu lagen beim Intraossären Zugang die Schwierigkeiten vor allem in mangelndem Training mit dem ungewohnten Material des Intraossär-Bohrers. Nicht selten kam es zu deutlichen Verzögerungen, da in den Erstversorgungsräumen kein intraossärer Zugang zur Verfügung stand und dieser z.B. erst von einer anderen Station geholt werden musste.

Während das Legen eines Nabelvenenkatheters in dieser simulationsbasierten Studie deutlich länger dauerte und hier aufgrund der Komplexität des benötigten Materials und der Verlegetechnik nur wenig Potential zur Zeiteinsparung besteht, scheinen die Bedingungen beim intraossären Zugang durch einfach behebbare infrastrukturelle Adaptierungen (z.B. Vorhandensein eines Intraossärbohrers in jedem Erstversorgungsraum) und vor allem regelmäßiges Training der medizinischen Teams verbessert werden zu können. Mit den Ergebnissen dieser Studie können Erstversorgungsplätze für kritisch kranke Neugeborene in diese Richtung optimiert werden und lebensbedrohte Neugeborene so zukünftig möglicherweise noch optimaler versorgt werden.

Wissenschaftliches Umfeld

Frau Dr.in Eva Schwindt begann Ihre wissenschaftliche Karriere an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der Medizinischen Universität Wien im Rahmen ihrer Diplomarbeit zum Abschluss ihres Studiums der Humanmedizin im Bereich Infektiologie in der Arbeitsgruppe von Frau Prof. Dr.in Angelika Berger. Nach Beginn ihrer Assistenzarztausbildung wechselte sie in die Arbeitsgruppe „Neonatale Neurologie“ unter der Leitung von Frau PD Dr.in Katrin Klebermaß-Schrehof und absolvierte ihr Doktoratsstudium im Programm Clinical Neuroscience, welches sie mit einer Dissertation im Themengebiet der veränderten Entwicklung und Reifung visuell evozierter Potentiale bei extrem frühgeborenen Kindern abschloss.

Parallel zu ihren Interessen in der neonatalen Neurologie beschäftigt sich Frau Dr.in Eva Schwindt intensiv mit Themen der Patientensicherheit, insbesondere der Ausbildung und dem Training von medizinischen Teams im Bereich der Neugeborenenreanimation. Sie ist sowohl zertifizierte Newborn Life Support Trainerin des European Resuscitation Council (ERC) als auch Teil der Arbeitsgruppe für „Pädiatrische Simulation und Patientensicherheit“ der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der Medizinischen Universität Wien. Neben dem Training und der klinischen Ausbildung von medizinischen Teams widmet sie sich auch wissenschaftlich intensiv diesem Themengebiet und beschäftigt sich hier unter anderem mit potentiellen Verbesserungen von bestehenden Konzepten in der Versorgung von kritisch kranken Neu- und Frühgeborenen. Der Schwerpunkt ihrer Forschung liegt dabei in der Evaluation des intraossären Zugangs in der Altersgruppe von Früh- und Neugeborenen, insbesondere in Erfolgs- und Komplikationsraten.

Zur Person

Frau Dr.in Eva Schwindt wurde 1983 in Feldkirch geboren. Sie absolvierte 2009 das Studium für Humanmedizin an der Medizinischen Universität Wien, während dem sie mehrfach mit einem Leistungsstipendium ausgezeichnet wurde.

Parallel zu ihrer Facharztausbildung im Sonderfach Kinder- und Jugendheilkunde an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der Medizinischen Universität Wien absolvierte sie ein Doktorratsstudium im Programm Clinical Neuroscience, welches sie 2016 erfolgreich abschloss.

Neben ihrer klinischen und wissenschaftlichen Tätigkeiten ist Frau Dr.in Eva Schwindt zertifizierte Trainerin für Reanimations- und Simulationstraining und führt regelmäßig Teamtrainings in zahlreichen Krankenhäusern unterschiedlichster Größen durch.

Ausgewählte Literatur

1.         Schwindt EM, Hoffmann F, Deindl P, Waldhoer TJ, Schwindt JC. Duration to Establish an Emergency Vascular Access and How to Accelerate It: A Simulation-Based Study Performed in Real-Life Neonatal Resuscitation Rooms. Pediatr Crit Care Med. 2018.

2.         Perlman JM, Risser R. Cardiopulmonary resuscitation in the delivery room. Associated clinical events. Arch Pediatr Adolesc Med. 1995;149(1):20-25.

3.         Wyllie J, Bruinenberg J, Roehr CC, Rudiger M, Trevisanuto D, Urlesberger B. European Resuscitation Council Guidelines for Resuscitation 2015: Section 7. Resuscitation and support of transition of babies at birth. Resuscitation. 2015;95:249-263.

4.         Hansen M, Meckler G, Spiro D, Newgard C. Intraosseous line use, complications, and outcomes among a population-based cohort of children presenting to California hospitals. Pediatr Emerg Care. 2011;27(10):928-932.

5.         Helm M, Haunstein B, Schlechtriemen T, Ruppert M, Lampl L, Gassler M. EZ-IO((R)) intraosseous device implementation in German Helicopter Emergency Medical Service. Resuscitation. 2015;88:43-47.

6.         Horton MA, Beamer C. Powered intraosseous insertion provides safe and effective vascular access for pediatric emergency patients. Pediatr Emerg Care. 2008;24(6):347-350.

7.         Maconochie IK, Bingham R, Eich C, et al. European Resuscitation Council Guidelines for Resuscitation 2015: Section 6. Paediatric life support. Resuscitation. 2015;95:223-248.

8.         Abe KK, Blum GT, Yamamoto LG. Intraosseous is faster and easier than umbilical venous catheterization in newborn emergency vascular access models. Am J Emerg Med. 2000;18(2):126-129.

9.         Rajani AK, Chitkara R, Oehlert J, Halamek LP. Comparison of umbilical venous and intraosseous access during simulated neonatal resuscitation. Pediatrics. 2011;128(4):e954-958.


Dr.in med. univ. et scient. Eva Schwindt

Medizinische Universität Wien
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde
Klinische Abteilung für Neonatologie, Pädiatrische Intensivmedizin und Neuropädiatrie
Währinger Gürtel 18-20
1090 Wien

T: +43 (0)1 40400-32320
eva.schwindt@meduniwien.ac.at