Wir stellen Ihnen die Forscher:innen hinter den Krebsforschungsprojekten vor
Die Spendengelder des Krebsforschungslaufs kommen zu 100 Prozent Krebsforschungsprojekten zugute. Welche Forscher:innen hinter den Projekten stecken und woran sie aktuell forschen, stellen wir Ihnen hier vor.
Verena Paulitschke von der Universitätsklinik für Dermatologie untersucht, wie Blutproteine das Ansprechen auf Immuntherapien beim metastasierten Melanom vorhersagen können. Ihre Forschung könnte dazu beitragen, die Behandlung zu individualisieren, Nebenwirkungen zu reduzieren und Resistenzmechanismen frühzeitig zu erkennen.
Was untersuchen Sie in der Studie und warum ist die Forschung in diesem Bereich relevant?
Immun-Checkpoint-Inhibitoren erzielen hervorragende Ergebnisse in der Klinik, jedoch weisen etwa die Hälfte der Patient:innen eine intrinsische oder erworbene Resistenz auf. Bislang gibt es keine Biomarker, die das Ansprechen auf eine Anti-PD-1-Therapie beim metastasierten Melanom genau vorhersagen können. Wir untersuchen mittels Massenspektrometrie die Proteine im Blut von Melanompatient:innen vor der Immuntherapie und korrelieren diese mit dem Therapieansprechen, um mögliche Biomarker herauszuarbeiten. Durch diesen Ansatz könnte es möglich werden, Patient:innen zu stratifizieren, unnötige Nebenwirkungen zu vermeiden, Therapiezeit einzusparen und/oder auch frühzeitig zu erkennen, wann Resistenzen auftreten. Zusätzlich erweitern unsere Ergebnisse das Verständnis der ablaufenden Resistenzmechanismen, in die man dann auch mit neuen Therapieoptionen eingreifen könnte.
Welche Ergebnisse konnten bereits erzielt werden?
Wir konnten Mechanismen darstellen, die bei Non-Respondern hochreguliert sind, wie u.a. die neutrophile Degranulation, die Zell-Substrat-Adhäsion und die Organisation der extrazellulären Matrix. Die Serumanalyse führte zu einer potenziellen Signatur mit 10 Schlüsselmarkern. Die Analyse primärer Melanomzellen von Non-Respondern ergab eine potenzielle Signatur mit 4 Schlüsselmarkern. Die Daten wurden Anfang dieses Jahres im renommierten Journal Clinical Cancer Research publiziert (PMID: 37861398) und stellt auch die Kernarbeit meiner PhD Studentin Nina Zila dar.
Was bedeutet das für die zukünftige Forschung?
In Zukunft planen wir weitere Patient:innenproben nicht nur vor, sondern auch während Therapie, zu analysieren, um einerseits unsere bestehende Signatur von prädiktiven Markern zu bestätigen und erweitern und andererseits, um auch pharmakodynamische Marker zu identifizieren. Zusätzlich möchten wir eine ganz neuartige Methode verwenden. Hierfür analysieren wir den Fingerschweiß der Patient:innen und bestimmen in Zusammenarbeit mit der Analytischen Chemie, Universität Wien (Christopher Gerner) die Metaboliten. Diese Methode ist nicht-invasiv und die Probengewinnung einfach. Dies könnte die Identifizierung von Biomarkern ermöglichen, wie in einer aktuellen Studie in Nature Communication (PMID: 34645808) dargestellt. Somit könnte man Stoffwechselprodukte identifizieren, die eine bedeutsame Rolle bei Therapieansprechen darstellen. Eine Umsetzung in die Klinik könnte bei erfolgreicher Etablierung als nächster Schritt gesetzt werden.
Zur Person
Verena Paulitschke ist Oberärztin für Dermatologie an der Universitätsklinik für Dermatologie der Medizinischen Universität Wien. Sie studierte Medizin an der MedUni Wien und absolvierte hier auch ihre Facharztausbildung, ihr PhD-Studium und ihre Habilitation. An der ETH und der dermatologischen Klinik des Universitätsspitals Zürich führte sie einen zweijährigen Forschungsaufenthalt durch. Seit 2018 ist sie assoziierte Professorin. Der Forschungsschwerpunkt liegt in der Evaluierung von Resistenzmechanismen auf zielgerichtete Therapien und Immuntherapie und der Identifizierung von prädiktiven Markern im metastasierenden Melanom. Für ihre Publikationen konnte sie bereits zahlreiche Preise gewinnen.
Entwickeln Brustkrebspatientinnen, die an einer Mutation des BRCA1-Gens leiden, vermehrt Hirnmetastasen? Welche anderen Gene könnten an diesem Geschehen noch beteiligt sein und wäre dann ein neuer Therapieansatz sinnvoll und erfolgreich? Diesen Fragen geht Yen Tan, Krebs-Epidemiologin an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Mitglied des Comprehensive Cancer Center (CCC) von MedUni Wien und AKH Wien, in ihrem Projekt, das mit der CCC Forschungsförderung unterstützt wird, nach. In ihrer Studie erstellt sie molekulare Genanalysen aus Blutproben der Patientinnen, um möglichen Veränderungsmustern auf die Spur zu kommen. Damit hofft sie neue Einblicke in die Signalwege zu gewinnen, die in die Entstehung von Hirnmetstasen involviert sind, und in Folge Hinweise auf Ansatzpunkte für neue Behandlungsmethoden zu erhalten.
20 bis 30 Prozent aller Patientinnen mit invasivem Brustkrebs sind mit einem Rückfall und der Entstehung von Metstasen konfrontiert. Fünf Prozent davon entwickeln Gehirnmetastasen wobei die Rate bei Patientinnen gewisser Subgruppen bis zu 40 Prozent beträgt. Das betrifft vor allem Frauen, die an HER2-positiven oder tripple-negativen Brustkrebs leiden. ExpertInnen vermuten, dass diese Zahlen steigen werden, da die Patientinnen auf Grund der besseren Therapien länger leben und das metastasierte Stadium daher vermehrt erreichen werden. Neue Therapieansätze werden somit dringend benötigt.
Der Großteil der Brustkrebspatientinnen mit Hirnmetastasen wird derzeit mit lokalen Therapien (Chirurgie und Radioonkologie) und zusätzlicher Chemotherapie behandelt. Tan: „Wir wollen prüfen, ob BRCA-Mutationen bei Brustkrebspatientinnen, die Hirnmetastasen entwickelt haben, vermehrt vorkommen. Sollte sich das bewahrheiten, könnten sie von einer Behandlung mit PARP-Inhibitoren profitieren.“
PARP-Inhibitoren sind eine Gruppe von Arzneistoffen, die die Reparatur von DNA-Schäden in Krebszellen unterbinden, was letztlich zu ihrem Tod führt. PARP-Inhibitoren werden meist in Verbindung mit Chemotherapien angewendet und gelten heute als Standardtherapie bei Krebsarten, die durch BRCA-Mutationen entstehen.
Sollten andere genetische Mutationen an der Metastasierung beteiligt sein, könnten sich auch hier neue, personalisierte Behandlungsansätze ableiten lassen.
Zur Person
Yen Tan arbeitet seit 2015 an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde an der Medizinischen Universität Wien und ist stellvertretende Leiterin des Zentrums für erblichen Brust- und Eierstockkrebs. Sie schloss 2015 ihre Postdoc-Ausbildung in molekularer Krebsepidemiologie am QIMR Berghofer Medical Research Institute in Australien ab und erhielt 2022 ihre venia docendi auf dem Gebiet der Krebsepidemiologie und Prävention. Tan hat zahlreiche wissenschaftliche Auszeichnungen und Preise für ihre herausragenden Forschungsarbeiten zu BRCA-assoziierten Krebserkrankungen erhalten, zuletzt den Basser External Research Grant der University of Pennsylvania, USA. Sie leitet die BRCA- Kohortenregisterstudie (ATHENA), ist Co-Leiterin der Internationalen BRCA1/2-Trägerkohortenstudie (IBCCS) und Kooperationspartnerin des Consortium of Investigators of Modifiers of BRCA1/2 (CIMBA) und des Evidence-based Network for the Interpretation of Germline Mutant Alleles (ENIGMA).
Wie gut wäre es, wenn man an Tumorzellen aus einem echten Tumor bereits im Labor testen könnte, ob ein Medikament wirken wird oder nicht. Daran arbeitet Zellbiologe Helmut Dolznig vom Institut für Medizinische Genetik der MedUni Wien. Er ist einer von 14 Forscher:innen die eine Forschungsförderung aus den Mitteln des Krebsforschungslaufes erhalten haben.
Seit 25 Jahren züchtet und analysiert Helmut Dolznig Zellen. In enger Kooperation mit dem Team von Michael Bergmann von der Universitätsklinik für Allgemeinchirurgie der MedUni Wien nimmt er in seinem aktuellen Forschungsprojekt Zellen direkt aus einem Tumor, der entweder im Darm oder bei Metastasen in der Leber operativ entfernt wurde. Das ist nicht so einfach, denn das Tumorgewebe benötigt in erster Linie die Pathologie, die den Tumor genau untersucht und analysiert, um eine exakte Diagnose zu erstellen. Mitarbeiter:innen des Teams von Dolznig/Bergmann am Comprehensive Cancer Center Vienna von MedUni Wien und AKH Wien stehen neben der:m Patholog:in und warten auf ein zirka Heidelbeer-großes Tumorstück das noch „lebt“, nicht in Formaldeyd eingelegt wurde und das die Pathologie nicht benötigt. Nur dann und mit dem Einverständnis der:s Patient:in wie auch einem gültigen Ethikvotum ist es ethisch korrekt daran zu forschen. Zuerst wird es allerdings sofort in einem speziellen Einfriermedium, das mit einem Frostschutzmittel versehen ist, bei minus 196 Grad eingefroren. So kann es im Labor wieder zum Leben erweckt werden.
Unterschätzte Bindegewebszellen
An lebendem Tumorgewebe von 40 Patient:innen forschen die Dolznig/Bergmann Labs aktuell. Die konkrete Idee: Ein lebendes Modell des Tumors im Labor möglichst genau nachbauen –sogenannte komplexe Organoide. „So können wir außerhalb des Körpers einerseits molekulare Mechanismen im Bereich der Grundlagenforschung erforschen und andererseits Medikamente testen. Hier geht es um wirkliche Präzisionmedizin – welche Medikamente funktionieren gut in genau diesem Tumorsystem. Je besser wir den Tumor im Labor nachbauen, umso besser können wir vorhersagen, wie die Medikamente auch im Körper wirken“, so Helmut Dolznig. Besonderes Ziel sind in Dolznigs Forschung stellen Tumoren dar, die resistent gegen Chemotherapie sind. Ein Schlüssel könnten dabei die Bindegewebszellen darstellen, diese werden in den komplexen Organoidmodellen mit eingebaut. Krebsgewebe besteht zu 15 – 80 Prozent aus Nicht-Tumorzellen, mit einem bedeutenden Anteil von Bindegewebszellen und nur zum restlichen Teil aus Krebszellen.
Die Rolle der Bindegewebszellen, die eigentlich den Körper stützen und Gewebe bzw. Organstrukturen aufbauen helfen und unter anderem Faszien, Knorpeln oder Knochen bilden, könnte im Tumor bisher unterschätzt worden sein und ein neues Angriffsziel im Kampf gegen Krebs darstellen.
Im Tumor spielen sie ein noch genauer zu erforschendes Doppelspiel: im frühen Stadium bekämpfen sie diesen, indem sie ihn anfangs von der Versorgung abkapseln und Immunzellen anlocken, die die Tumorzellen erkennen und abtöten. Andererseits sind sie aktiviert wie während des Prozesses der Wundheilung und versorgen die Tumorzellen mit Wachstumsfaktoren und Überlebenssignalen, und in späteren Stadien helfen sie wahrscheinlich den Krebszellen dabei, sich vor dem Immunsystem zu verstecken.
Aktuell werden 45 von der FDA zugelassene Medikamente an den komplexen Organoid/Bindegewebskulturen im Labor getestet. Als nächster Schritt steht demnächst die Translation – also die Übersetzung – vom Labor an das Patient:innenbett am Plan, dann kann die oder der erste Patient:in von der Forschung profitieren.
Prostatakrebs wird häufig mit hormonellen Medikamenten behandelt. Ein schwerwiegendes Problem bei dieser Therapie ist aber das Entstehen von Resistenzen gegen hormonelle Prostatakrebsmedikamente. Maximilian Marhold erforscht an künstlich gezogenen, dreidimensionalen Modellen des Prostatakarzinoms, wie es zur Resistenzentwicklung der Krebszellen gegen hormonelle Prostatamedikamente kommt.
Was untersuchen Sie in Ihrer Studie?
Mit Hilfe von Hormontherapien lässt sich Prostatakrebs im fortgeschrittenen Stadium zwar nicht beseitigen, aber man kann das Voranschreiten unterbinden. Deshalb stellen sie für uns eine wesentliche Säule der Therapie dar. Umso wichtiger ist es, Resistenzen dagegen zu verhindern. In unserem Projekt „Mechanisms of second-generation androgen receptor antagonist resistance in neuroendocrine prostate cancer” untersuchen wir daher die Mechanismen, die zur Entwicklung von Resistenzen führen können.
Warum wird gerade bei Prostatakrebs eine hormonelle Therapie eingesetzt?
Die Prostata ist eine hormonabhängige Drüse, was aber dazu führt, dass das männliche Geschlechtshormon Testosteron auch das Wachstum des Prostatakarzinoms stimuliert. Bei der Behandlung mit Hormonen werden die Bildung oder die Wirkung von Testosteron im Körper verhindert. Diese Medikamente wirken aber oft nur zeitlich begrenzt, da die Tumoren Resistenzen dagegen entwickeln.
Wie untersuchen Sie diese Resistenzen?
Wir nutzen die Organoid-Zellkulturtechnik, um Prostatakrebs realitätsnah erforschen zu können. Dafür züchten wir aus Zellen des Prostatakarzinoms künstliche „Organe“ in Miniaturform, sogenannte Organoide. Sie ahmen die Organe, aus deren Zellen sie gezüchtet wurden, sehr gut nach. Das betrifft die Zellgruppierung, aber auch die räumliche Anordnung und die physische Interaktion der Zellen. Aktuell erforschen wir diese Technik an Organoiden von Mäusen.
Welche Vorteile hat diese Methode im Vergleich zur herkömmlichen Forschung?
Die bisherigen Methoden zur Erforschung von Krebszellen war auf die Untersuchung von Einzelzellen oder Zellkulturen beschränkt. Das brachte aber kaum Aufschlüsse zur Entstehung und zum Wachstum von Tumoren, da den ForscherInnen nur wenig Zellmaterial zur Verfügung steht. Die Züchtung der Zellen zu Organoiden hilft diesen Engpass zu entschärfen. Mit Hilfe der Organoide können wir die Krankheit besser modellieren und daher auch präzisere Untersuchungen anstellen.
Welche Ergebnisse konnten Sie bereits erzielen?
In Organoiden unseres Mausmodells konnten wir zwei Resistenzmechanismen entdecken – einen auf zellulärer und einen auf molekularer Ebene. Diese Ergebnisse sollten Ende des Jahres in einem hochrangigen Journal publiziert werden.
Zur Person
Maximilian Marhold ist seit 2014 Mitarbeiter an der Abteilung für Onkologie der Medizinischen Universität und des AKH Wien und Mitglied des CCC. Er studierte bis 2013 Humanmedizin an der Medizinischen Universität Wien, wo er folglich 2016 seinen PhD im Bereich „Malignant Diseases“ erlangte. 2017 vertiefte er seine Ausbildung als Wissenschafter durch einen zehnmonatigen Aufenthalt als Postdoctoral Fellow an der Columbia University in New York. Marhold ist Träger wissenschaftlicher Auszeichnungen und Preise und konnte bereits einige Forschungsgrants einwerben.
Kinder mit bestimmten bösartigen Gehirntumoren, die nach erfolgter Therapie wiederkehren, also rezidivieren, haben eine schlechte Prognose. Je früher das Rezidiv erkannt wird, desto besser stehen die Chancen auf den Behandlungserfolg. Das Studienteam rund um Sibylle Madlener hat zum Ziel, charakteristische Merkmale zu identifizieren und Kombinationen mit neuen kaum invasiven Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu finden, die als Frühdiagnose oder zur Überwachung von Behandlungen bei Kindern mit Hirntumoren eingesetzt werden können.
Was erforschen Sie in Ihrer Studie?
Wir suchen bei jungen KrebspatientInnen nach Biomarkern, also bestimmten zellulären Teilen von Tumoren in den Körperflüssigkeiten, um rezidivierende Tumore bei Kindern rasch erkennen zu können. In unserer Studie “Identification of new CSF biomarkers and evaluation in recurrent MB and ATRT patients” untersuchen wir dafür verschiedene Tumorarten nach speziellen Merkmalen.
Welche Merkmale sind das?
Konkret konnten wir zwei Biomarker identifizieren: MicroRNA-Cluster und zellfreie DNA bzw. zellfreie Tumor-DNA. MicroRNA (miRNA) sind kurze, hoch konservierte, nichtcodierende RNAs, die eine wichtige Rolle in der Genregulation spielen. Zellfreie DNA ist eine DNA-Struktur, die aus den umliegenden Zellen zufällig durch Zelltod oder andere zelluläre Umstrukturierungen in Körperflüssigkeiten abgegeben wird. Diese DNA trägt oft Mutationen, die in einzelnen Tumoren gehäuft vorkommen.
Welche Ergebnisse lieferten Ihre Forschungen an den neuen Biomarkern?
Bei den Tumorarten MB (Medulloblastomen) und ETMR (embryonal tumor with multilayer rosettes) konnten wir dank einer neuen miRNA Screening Technologie spezifische MicroRNA-Cluster im Blut und/ oder in der Hirnflüssigkeit nachweisen. Bei den sehr häufig auftretenden MB konnten wir im Serum von PatientInnen den miRNA-Marker nicht nur identifizieren, sondern im weiteren Krankheitsverlauf auch immer wieder nachweisen.
Noch signifikanter waren die miRNA-Marker bei den ETMR-PatientInnen. Hier konnten wir die speziellen miRNAs im Vergleich zu anderen Kontrollen und Tumorarten ausnahmslos und hoch signifikant in den Flüssigkeiten der PatientInnen nachweisen. Bei dieser sehr seltenen und hoch aggressiven Tumorart haben wir zudem einen Zusammenhang zwischen der chirurgischen Entfernung mit anschließender Chemotherapie und den miRNA-Markern im Blut gesehen.
Gemeinsam mit unseren Koopertationspartnern von der Universität Freiburg aus Deutschland und der FH Vorarlberg arbeiten wir an einer neuartigen Methode, die einen schnellen und einfachen Nachweis der speziellen miRNAs im Blut von PatientInnen ermöglicht, ein so genannter Lab-on-a-Chip. Die ersten Ergebnisse konnten wir bereits vergangenes Jahr gemeinsam in dem hoch dotierten Journal „Advanced Materials“ publizieren.
Neben den vielversprechenden miRNAs haben wir auch die zellfreie DNA bzw zellfreie Tumor-DNA von Gliomen, das sind Hirntumoren des Zentralnervensystems, analysiert. Mit einer sehr sensitiven Tröpfchen PCR-Methode konnten wir bei der extrem aggressiven DIPG-Form des Glioms eine häufig auftretende Mutation in der Hirnflüssigkeit und im Plasma nachweisen. Aber auch Vervielfältigungen, sogenannte Amplifikationen, von einzelnen Genabschnitten, z.B. dem MYC Gen, konnten wir durch die Analyse der zellfreien DNA in MB-Tumoren nachweisen. Diese MYC-Amplifikation befeuert das Wachstum und in weiterer Folge eine rasche Ausbreitung des Tumors. Solche Marker für zellfreie DNA deuten meistens auch auf eine schlechte Prognose für den Krankheitsverlauf hin. Deshalb ist es umso wichtiger, sie schnell und frühzeitig zu entdecken.
Welchen Vorteil hat die Analyse der Körperflüssigkeiten gegenüber der Untersuchung des Tumorgewebes?
Die herkömmliche Methode zur Entnahme einer Gewebeprobe ist eine Biopsie, die meist mit einer Operation unter Vollnarkose verbunden ist. Ein relativ neues Verfahren, die sogenannte Liquid Biopsy, ermöglicht es, bestimmte Biomarker aufzuspüren, die Tumorzellen in Körperflüssigkeiten wie Blut oder Zerebrospinalflüssigkeit (Hirnflüssigkeit) abgeben. Diese Methode ist schnell, zuverlässig, beinahe unlimitiert und schonend für die PatientInnen, da sie eine bzw. mehrere aufwändige Operationen erspart. Wir haben nun erstmals Biomarker im Blutserum und in der Hirnflüssigkeit entdeckt, wodurch ein schneller und einfacher Nachweis von Tumorzellen möglich ist.
Die Analyse von Markern in Körperflüssigkeiten wird in Zukunft eine wesentliche Rolle beim Therapiemonitoring und in der Prognostik bei Hirntumoren spielen.
Über Sibylle Madlener
Sibylle Madlener ist PI und Labmanager des Molecular Neuro-Onkology Labors der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der MedUni Wien und des AKH Wien. Sie studierte Biologie an der Universität Innsbruck und wechselte im zweiten Abschnitt nach Wien, um Humanbiologie mit Fokus auf Molekular- und Tumorbiologie an der Universität Wien zu studieren. Ihre Diplomarbeit schloss sie 2004 am klinischen Institut für Labormedizin an der Medizinischen Universität Wien ab. Von 2004 bis 2009 folgte das Doktoratsstudium am Institut für klinische Pathologie der MedUni Wien und danach eine Stelle als Post-Doc an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der MedUni Wien und des AKH Wien. Die Wissenschaftlerin ist Autorin und Mitautorin zahlreicher Publikationen und konnte bereits nationale sowie internationale Forschungsgrants einwerben.
Die Chronisch Lymphatische Leukämie (CLL) ist die häufigste Krebserkrankung des Blutes in der westlichen Welt, von der vor allem ältere Menschen betroffen sind. Die Krankheit kann heute zwar sehr gut behandelt, aber noch nicht geheilt werden. In seiner Studie stellt Rainer Hubmann die Frage, wo der Ursprung der CLL liegt und ob eine Mutation in einem bestimmten Gen für deren Entstehung verantwortlich ist. Die Erkenntnisse könnten entscheidend für Fortschritte in Diagnose und Therapie sein.
Was untersuchen Sie in Ihrer Studie?
Unserer Studie „Characterization of NOTCH2 gain of function N2ΔEC deletions as possible causal genetic lesion in CLL“ beschäftigt sich mit der Frage, ob eine bestimmte Mutation, die NOTCH2-Mutation, zur Bildung von Chronisch Lymphatischer Leukämie führt. Dabei untersuchen wir anhand von Tumormaterial, das von rund 100 PatientInnen aus den vergangenen 10 Jahren stammt, ob diese NOTCH2-Mutationen in allen Patientinnen und in allen Leukämiezellen nachweisbar sind. Nur wenn die Mutationen in all diesen Zellen vorkommen und mit der Ausbreitung der CLL-Zellen im direkten Zusammenhang stehen, gelten sie als krankheitsdefinierend.
Was ist eine NOTCH2-Mutation?
NOTCH2 ist für die Unsterblichkeit von Stammzellen verantwortlich: Solange die Stammzellen in der Stammzellnische bleiben, produzieren sie durch ihre Teilung neue Körperzellen, die zu spezifischen Gewebezellen heranreifen können. Da NOTCH2 ein sogenannter Stammzellfaktor ist, könnte es als krebsauslösendes Onkogen eine entscheidende Rolle in der Entstehung von Leukämie spielen.
Die Vorläuferzellen der CLL sind eine Unterart der B-Zellen, das sind weiße Blutkörperchen, die eine entscheidende Rolle in der Immunabwehr spielen. Die Stammzellnische dieser B-Zellen befindet sich in der Milz. Es scheint so, dass es dort zu einer NOTCH2-Mutation in einer dieser B-Zellen kommt, wodurch diese sich unkontrolliert als CLL-Zelle vermehren kann.
Welche Ergebnisse brachte Ihre Studie bisher?
Es ist uns gelungen nachzuweisen, dass die Veränderung von NOTCH2 in den Leukämiezellen durch einen Verlust eines bestimmten Teils von NOTCH2 (NOTCH2ΔNRR) auf der mRNA-Ebene zustande kommt. Dies passiert durch „aberrantes splicing“, ein Prozess, bei dem bestimmte Sequenzabschnitte aus einer Vorläufer-mRNA gezielt herausgeschnitten werden. Wir konnten aufzeigen, dass der häufigste Verlust von NOTCH2ΔNRR mit einer angeborenen Genvariation zusammenhängt. Diese Variation ist Teil einer evolutiv alten NOTCH2-Genvariante, die das Forschungsteam NOTCH2*1A1 nannte. Personen mit dieser angeborenen NOTCH2*1A1 Genvariante haben eine Prädisposition für CLL und andere NOTCH2-assoziierte Tumore. Die initiale genetische Veränderung dürfte dabei ein DNA-Doppelstrangbruch sein, bei dem es im Rahmen des Reparaturmechanismus zum Austausch von genetischer Information zwischen zwei NOTCH2-Genvarianten kommen dürfte. Durch diese Erkenntnis konnten wir einen einfachen Gentest entwickeln, der von jedem Labor durchgeführt werden kann und auch schon zur Patentierung angemeldet worden ist.
Die Ergebnisse unseres Projekts dürften also nicht nur die Entstehung des NOTCH2-Typs in CLL Zellen erklären, sondern haben das Potential, wesentliche offene Fragen bezüglich geographischer Verteilung, erblicher Faktoren, und geschlechtsspezifischer Unterschiede in der Entstehung von bestimmten Leukämien und Tumoren zu beantworten.
Was bedeuten diese Erkenntnisse für die Therapie und Diagnose von CLL?
Wenn nachgewiesen werden kann, dass es sich bei der Mutation des NOTCH2 Gens um ein krankheitsdefinierendes Ereignis handelt, wäre das nicht nur ein Durchbruch im Verständnis der Entstehung von CLL, sondern es könnten auch gezielte Medikamente gegen die NOTCH2-Mutation entwickelt werden, die eventuell das Potential hätten, CLL zu heilen. Im Bereich der Diagnose beziehungsweise Prognose könnte das Vorhandensein der Mutation den Ausbruch einer CLL anzeigen. Nach erfolgter Behandlung würde der Nachweis der Mutation bedeuten, dass mit einem Wiederauftreten der Erkrankung zu rechnen ist. In beiden Fällen könnte die Krankheit also frühzeitig erkannt und therapiert werden.
Zur Person
Rainer Hubmann studierte Biologie und Genetik an der Universität Wien. Nach seinem Abschluss 1996 begann er sein PhD-Programm an der MedUni Wien, das er 2002 erfolgreich absolvierte. Danach folgten Tätigkeiten als Postdoc an der MedUni Wien und am Ludwig Boltzmann Cluster Oncology. Seit 2011 ist er Principal Investigator an der MedUni Wien und am Comprehensive Cancer Center (CCC). Hubmann ist Autor und Co-Autor zahlreicher Publikationen, konnte bereits einige Awards und Grants einwerben, ist in der Lehre tätig und hält drei Patente. Darüber hinaus ist er Mitglied in der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie sowie Mitglied des Comprehensive Cancer Center (CCC) der MedUni Wien und des AKH Wien.
Jährlich erkranken rund 1.600 Menschen an Hautkrebs. Obwohl es bereits zahlreiche Therapieansätze für metastasierenden Hautkrebs gibt, sind diese nicht immer wirkungsvoll, da die PatientInnen eine Resistenz gegen die Therapie entwickeln. Die Forschungsarbeit von Verena Paulitschke hat zum Ziel, Resistenzen bei der Behandlung von Hautkrebs besser zu verstehen und sie frühzeitig zu erkennen.
Woran forschen Sie in Ihren Studien?
Unsere Studien beschäftigen sich mit metastasierendem Hautkrebs und warum manche PatientInnen eine Resistenz gegen Therapien entwickeln. Innerhalb der vergangenen zehn Jahre sind bahnbrechende, effektive Therapieansätze in der Behandlung dieser Krankheit erzielt worden, sowohl als zielgerichtete Therapie auf die Tumorzelle als auch über die Aktivierung des Immunsystems. Trotz eines guten Ansprechens entsteht bei der zielgerichteten Therapie im Mittel nach ca. 15 Monaten eine Resistenz oder es profitiert nur ungefähr die Hälfte der PatientInnen von der Immuntherapie. Eine mögliche Erklärung ist, dass Melanome sehr anpassungsfähig sind, was es den Tumorzellen erlaubt, in die biologischen Prozesse einzugreifen. Wir haben uns deshalb zum Ziel gesetzt, diese unterschiedlichen Resistenzmechanismen zu erforschen, um diese besser zu verstehen und Vorschläge zu generieren, wie man diese überwinden oder frühzeitig erkennen kann.
Die erste Studie hat sich mit Resistenzmechanismen auf die zielgerichtete Therapie beschäftigt und wurde mit dem Titel Proteomic identification of a marker signature for MAPKi resistance in melanoma 2019 im EMBO Journal publiziert. Hier charakterisieren wir unter anderem zwei Proteine, die mit dem Ansprechen auf die Therapie zusammenhängen und haben eine entsprechende Markersignatur auch patentiert. Diese Arbeit wurde mit dem Fleur-Hiege Preis 2019 ausgezeichnet.
In unserer laufenden Studie Identification of novel markers to predict response to anti-PD-1 immunotherapy in melanoma applying proteomics haben wir nach Markern gesucht, die frühzeitig das Ansprechen auf eine Immuntherapie vorhersagen könnten, sogenannte prädiktive Marker. Diese Studie ist auch gleichzeitig die PhD-Arbeit meiner Studentin Nina Zila, der Erstautorin dieser Arbeit.
Wie erforschen Sie diese Resistenz?
Mithilfe der Proteomik analysieren wir Serumproben und Tumorzellkulturen von MelanompatientInnen, die mit einer Immuntherapie behandelt wurden, und sehen uns die molekularen Mechanismen an, die dafür verantwortlich sind, dass Patientinnen auf eine Therapie ansprechen oder eben nicht. In weiterer Folge führen wir dann funktionelle Experimente sowie klinische Validierungen durch, um die Ergebnisse zu untermauern. Hier ist es besonders wichtig, gut charakterisierte PatientInnenproben verwenden zu können. Dabei konnten wir zum einen auf die Biobank des Universitätsspitals Zürich unter der Leitung von Prof. Levesque und Prof. Dummer und auf unsere Biobank der Abteilung für Dermatologie unter der Leitung von Prof. Höller, Prof. Stary und Prof. Weninger zurückgreifen.
Was versteht man unter Proteomik?
Das Proteom sind alle Proteine, die in einer Zelle oder einem Lebewesen unter definierten Bedingungen und zu einem bestimmten Zeitpunkt vorhanden sind. Die Proteomik untersucht dieses Proteom anhand biochemischer Methoden und ermöglicht einen umfangreichen und biologisch relevanten Einblick in die Prozesse einer Zelle. Somit können wir erkennen, wie und unter welchen Umständen sich Proteine so verändern, dass es zu einer Resistenz kommt.
Für diese Analysen sind hochsensitive Geräte nötig und wir haben die Proben zum einen an der ETH Zürich bei Prof Aebersold am Institut für molekulare Systembiologie und an der Universität Wien bei Prof Gerner am Institut für Analytische Chemie gemessen.
Zu welchen Ergebnissen sind Sie in Ihrer laufenden Studie gekommen?
Es ist besonders interessant für uns, dass wir im Serum und bei den Tumorzellen ähnliche Mechanismen wie bei der zielgerichteten Therapie beobachten können. Die Tumorzellen scheinen sich so zu verändern, dass sie weniger stark wachsen und metastasieren. Wenn man also die Prozesse besser versteht, könnte dies sowohl bei der zielgerichteten Therapie als auch bei der Immuntherapie weiterhelfen.
Wir konnten dank der Marker im Tumorzellproteom einen unterschiedlichen Immunphänotyp identifizieren, also spezielle Antigene bei den Tumorzellen feststellen, die für die Resistenzen verantwortlich sind und eine mögliche Rolle in der Tumormikroumgebung spielen.
Im Serum konnten wir ebenfalls spannende Marker identifizieren und mit unterschiedlichen Methoden validieren, sodass wir am Ende eine Tumor- und eine Serummarkersignatur haben, von der wir hoffen, dass sie uns bei der Vorhersage von Resistenzen in Zukunft weiterhelfen könnte. Wenn dies möglich ist, könnte man frühzeitig erkennen, ob ein Patient von der Immuntherapie profitiert und so dazu beitragen, dass er die möglichst beste Therapie erhält, ohne wertvolle Therapiezeit zu verlieren.
Zur Person
Verena Paulitschke ist Oberärztin für Dermatologie an der Abteilung für Dermatologie der Medizinischen Universität Wien. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich dermatoonkologischer Grundlagenforschung und Translational Research. Sie studierte Medizin an der MedUni Wien und absolvierte hier auch ihre Facharztausbildung, ihr PhD-Studium und ihre Habilitation an der Universitätsklinik für Dermatologie. An der ETH und der dermatologischen Klinik, Universitätsspital Zürich führte sie einen zweijährigen Forschungsaufenthalt. Seit 2018 ist sie assoziierte Professorin. Der Forschungsschwerpunkt liegt in der Evaluierung von Resistenzmechanismen auf zielgerichtete Therapien und Immuntherapie und der Identifizierung von prädiktiven Markern im metastasierenden Melanom. Für ihre Publikationen konnte sie bereits zahlreiche Preise gewinnen.